So, nun kennen wir einige wichtige Merkmale, die das Kaufverhalten organisationaler Kunden (B2B) von dem Kaufverhalten privater Kunden unterscheiden. Dort haben wir festgestellt, dass der Kaufentscheidungsprozess bei organisationalen Kunden deutlich komplexer und langwieriger ist, als im B2C-Bereich.
In diesem Artikel wollen wir uns zunächst ansehen, was überhaupt ein Buying Center ist und dann, welche Rollenverteilungen und Akteure sich im Buying Center unterscheiden lassen. Denn wie wir im vorherigen Artikel bereits erfahren haben, sind an Kaufentscheidungen im B2B-Bereich nicht nur mehrere Personen beteiligt, sondern meist sogar verschiedenen Abteilungen.
Zum Schluss sehen wir uns dann noch ein Buying Network (Beziehungsnetzwerk) an, mit dessen Hilfe Vertriebler den Aufbaue eines Buying Centers besser beschreiben können und auch nicht Beteiligte schnell wissen welcher Akteur welche Rollen im Rahmen des Kaufentscheidungsprozesses einnimmt.
Aufbau des Buying Center
Offizielle Definition:
Konkreter bedeutet dies, dass ein Buying Center keine eigenständige Abteilung in einem Unternehmen ist, die organisatorisch in der Unternehmensstruktur verankert ist, sondern vielmehr ein Zusammenschluss von den beteiligten Personen, die während des Kaufentscheidungsprozesses involviert sind.
Die Mitglieder des Buying Centers tragen dabei gemeinsam das Risiko der Kaufentscheidung und nehmen unterschiedliche Rollen ein, die sich nach unterschiedlichen Aspekten einteilen lassen.
Rollenverteilung
Im Kaufprozess kann eine Person durchaus auch mehrere Rollen einnehmen und mehrere Personen können zusammen eine Rolle einnehmen. Die Gleichung eine Rolle = eine Person geht also nicht immer auf.
In der Regel werden die Rollen über einen eher langen Zeitraum von den gleichen Personen wahrgenommen, können sich aber durchaus auch kurzfristig ändern, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt.
Zentrale Rollen:
- Initiator
Der Initiator stellt den Bedarf fest, löst damit den Kaufprozess und die damit einhergehende Bildung des Buying Centers aus. Wenn der Produktionsleiter den Auftrag bekommt mehr Apfelsaft zu produzieren, die bestehenden Maschinen aber bereits ausgelastet sind, dann wird es notwendig sein, neue Maschinen zu kaufen. Damit wäre der Produktionsleiter in diesem Falle der Initiator des Kaufprozesses.
- Gatekeeper (Informationsselektierer)
Der Gatekeeper oder auch Informationsselektierer nimmt eine entscheidende Position wahr, denn er selektiert bewusst Informationen aus und entscheidet damit welche Informationen intern weitergeleitet werden. Dadurch findet eine gewisse Vorstrukturierung der Kaufentscheidung statt und die (aus seiner Sicht) irrelevanten Alternativen werden aussortiert.
Der Einfluss des Gatekeepers ist zwar nur indirekt an der Kaufentscheidung beteiligt, aber wie sie sehen kann er maßgeblich eine Kaufentscheidung beeinflussen. Typische Gatekeeper sind Sekretärinnen oder Assistenten/innen.
- Benutzer
Der Benutzer ist derjenige, der das zu beschaffende Produkt später verwendet. Durch sein spezifisches Nutzerwissen und seinen bisher gemachten Erfahrungen kann der Benutzer sehr gut dazu beitragen, welche Alternativen für die Kaufentscheidung relevant sind und welche von vornherein aussortiert werden können.
Im Rahmen des Kaufentscheidungsprozesses spielt der Benutzer somit durchaus eine wichtige Rolle.
- Influencer (Beeinflusser)
Ein Influencer ist ein Fachmann in seinem speziellen Gebiet und verfügt dort über wichtige Informationen. Seine Aufgabe im Buying Center besteht in erster Linie darin Anforderungskriterien aufzustellen, anhand derer die verschiedenen Alternativen bewertet werden können.
- Entscheider
Wie der Name schon erahnen lässt, ist der Entscheider derjenige, der aufgrund seiner hierarchischen Position im Unternehmen zum Schluss die Kaufentscheidung trifft.
Das Investitionsvolumen entscheidet hier maßgeblich, welche Hierarchiestufe die Kaufentscheidung zu treffen hat. In der Regel sind bei der Kaufentscheidung Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder beteiligt.
- Einkäufer
Der Einkäufer besitzt die formale Befugnis für den Abschluss von Kaufverträgen. Weitere zentrale Aufgaben des Einkäufers sind die Vorbereitung des Kaufvertrages und im Rahmen der Verhandlungen, die kaufmännischen und juristischen Aspekte zum Vorteil des eigenen Unternehmens zu beeinflussen.
Promotoren oder Opponenten
Desweiteren können wir die Akteure im Buying Center danach unterteilen, ob diese einen Kauf befürworten oder ablehnen. Diese Unterscheidung ist vor allem für den Vertrieb von hoher Bedeutung, denn für Vertriebler ist es wichtig zu wissen, wer einen Kauf befürwortet und wer einen Kauf ablehnt.
- Promotoren
Promotoren fördern und unterstützen den Kauf aktiv, wodurch diese den Kaufprozess vorantreiben.
- Opponenten
Opponenten hingegen lehnen einen Kauf ab und behindern so den Kaufprozess, schließlich ist es ihr Ziel, dass kein Kauf zustande kommt.
Wir unterteilen zudem Promotoren und Opponenten in drei Gruppen:
Machtpromotoren bzw. -opponenten
Diese verfügen über einen hohen Einfluss aufgrund ihrer hierarchischen Position im Unternehmen.
Fachpromotoren bzw. -opponenten
Wie der Name schon sagt, ist die Ursache ihrer Einflusses auf den Kaufprozess das spezifische Fachwissen.
Prozesspromotoren bzw. -opponenten
Durch ihre guten Kommunikationsbeziehungen im Unternehmen kann diese Gruppe einen Kaufprozess maßgeblich beeinflussen. Hauptsächlich finden sich Prozesspromotoren im Buying Center, die also den Kaufprozess unterstützen, indem diese Beziehungen zu zwischen den Macht- und Fachpromotoren herstellen.
Denkbar wäre aber auch der Fall indem ein Prozessopponent seine Beziehungen innerhalb eines Unternehmens nutzt, um Macht- und Fachopponenten zu verbinden.
Was bedeuten diese Erkenntnisse für das B2B-Marketing?
Aus diesen Erkenntnissen wird deutlich, dass das B2B-Marketing versuchen muss die verschiedenen Akteure eines Buying Centers zu identifizieren und nach Möglichkeit so zu beeinflussen, dass eine Kaufentscheidung für das eigene Produkt zustande kommt.
Mit dem Wissen über die Rollenverteilung kann zusätzlich die Vertriebspolitik optimiert werden. Ziel ist es schließlich die zahlreichen unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Mitglieder des Buying Centers „unter einem Hut zu bekommen“.
Der Vertrieb muss mit den Promotoren im Buying Center zusammenarbeiten und dadurch beispielsweise eine gemeinsame Argumentationsstrategie entwickeln, um möglichst die Opponenten -zumindest- in eine neutrale Einstellung umzustimmen.
Zudem muss der Vertrieb Konflikte zwischen Promotoren und Opponenten erkennen und lösen. Klar theoretisch hört sich dies sehr einfach an, aber praktisch ist es extrem schwierig, die Theorien in die Praxis umzusetzen und bedarf langjähriger Erfahrungen.
Beispiel:
Beziehungsnetzwerk
Die Beziehungen in einem Buying Center können sehr gut durch ein sogenanntes Beziehungsnetzwerk (Buying Network) dargestellt werden.
Im einem Buying Network können folgende Merkmale leicht analysiert werden:
- vertikale Beteiligung
Wie viele Hierarchieebenen sind im Buying Center vertreten?
- laterale Beteiligung
Wie viele Abteilungen und Bereiche sind im Buying Center vertreten?
- Umfang des Buying Centers
Wie viele Personen sind im Buying Center beteiligt?
- Vernetzung
Wie gut sind die Mitglieder im Buying Center Vernetzt?
- Zentralität bestimmter Personen
In welchem Ausmaß sind bestimmte Personen mit anderen Mitgliedern verbunden?
In diesem Beziehungsnetzwerk gibt es drei Hierarchiestufen (Vorstand, Leiter und Mitarbeiter), zudem sind drei Abteilungen des Unternehmens eingebunden (Controlling, Einkauf, Produktion), neun Mitarbeiter sind insgesamt in diesem Buying Center beteiligt und die Beziehungen untereinander sind insgesamt eher als gering einzustufen.
Insgesamt finden sich 15 Kommunikationsbeziehungen; möglich wären allerdings deutlich mehr.
Die höchste Zentralität weist der Leiter des Einkaufs auf, da er am meisten Verbindungen vorweist. Währenddessen weisen die Mitarbeiter zum Teil sogar nur eine Verbindung auf, was natürlich sehr gering ist und nicht unbedingt in Unternehmen angestrebt werden sollte.
Vielmehr sollte man versuchen auch einfache Angestellte mit verschiedenen anderen Mitarbeitern anderer Abteilungen zu verbinden, um dadurch unter anderem die Innovationsfähigkeit und Kreativität zu fördern.
Im nächsten Beitrag sehen wir uns dann den Kaufprozess organisationaler Kunden an, welchen wir in 8 Phasen unterteilen.
Bildquelle: © robu_s – Fotolia
Sehr schöner Artikel. Häufig werden nur kurz die Rollen dargestellt, ohne irgendeinen Nutzen oder Kontext. Die Darstellung des Beziehungsnetzwerks gibt einen schönen Praxis- und Anwendebezug.