Strategisches Management

Kunden kaufen da, wo sie das beste Gefühl haben…

Beginnen wir mit einer kleinen Fallstudie. Frau Susanne S. ist Kosmetikern und hat aufgrund ihrer ausgezeichneten Fachkenntnisse ein Kosmetikstudio vor 5 Monaten in einer mittelgroßen (70 000 Einw.) Stadt in Norddeutschland eröffnet.

Die Homepage wurde professionell erstellt. Sie hat Werbung in der Zeitung geschaltet und trotzdem bleiben die Kunden aus oder es „verirren“ sich nur wenige zu ihr.

Die Gründe können vielseitig sein. Aber eines ist immer wieder zu beobachten: Für Marketing wird a) meist zu wenig Geld ausgegeben und b) am Kunden aufgrund von mangelnden Kenntnissen „vorbei“ kommuniziert! Dabei könnte es  so einfach sein…oder?!

Was ist Marketing?

Gabler Wirtschaftslexikon definiert Marketing wie folgt: “Der Grundgedanke des Marketings ist die konsequente Ausrichtung des gesamten Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes.“ Was aber heißt das?

Die Erfahrung zeigt, dass „gutes“ Marketing kostenintensiv ist und daher wundert es nicht, dass Marketing im Bereich der BWL zunächst als „Investition“ oder „Kosten“ betrachtet wird. Die Neurowissenschaften beleuchten Marketing als integratives Phänomen aus Psychologie, Neurobiologie oder Theorien der Wirtschaftswissenschaften und ist viel mehr als eine biologische Teildisziplin oder auf Hirn-scan fokussiertes, reduzierendes und missverstandenes Fach.

Wie wirkt Marketing?

Werbespots wie Sie sie aus der TV-Werbung kennen sind sachlich betrachtet, nichts weiter als eine Abfolge von Reizen, die akustisch und visuell auf bewusster/unbewusster von uns Menschen wahrgenommen werden. Gerade Werbung möchte ihre Wirkung entfalten, indem sie auf die Emotionen der Betrachter abzielt und damit eine Kaufentscheidung herbeiführt.

Die Werbemacher wissen, dass Menschen implizit aus Lust am Produkt kaufen oder weil es einen „erwarteten Nutzen“ erfüllt. Die Kaufentscheidung geschieht in Sekundenbruchteilen im Gehirn.

Wo wirkt Marketing?

Wenn Menschen Entscheidungen aus dem „Bauch heraus“ treffen, dann meinen sie meist eine faszinierende Begabung, die wir Intuition nennen. Fakt ist aber, dass „was wir im Gefühl haben, haben wir in Wirklichkeit im Gehirn.“ (Fehse 2009: 44)  Emotionen sind ein komplexes Konstrukt, welches unser Tun maßgeblich steuert.

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Im Gehirn gibt es kein generelles „Emotionszentrum“, vielmehr sind viele Hirnstrukturen involviert.

Worin unterscheidet sich Neuro-Marketing?

Neuro-Marketing, auch Consumer Neuroscience Neuroimaging, ermöglichen es anhand bildgebender Verfahren, Hirnaktivitäten in bestimmten Situationen, wie Kaufentscheidungen nachzuweisen.

Herkömmliche Marktforschungen wie z.B. Befragungen stoßen an ihre Grenzen, da sie häufig nicht aussagekräftig genug sind. Das liegt vor allem daran, dass Menschen ihre unbewussten Präferenzen nicht kennen und demnach bei Befragungen auch nicht artikulieren können.

Um Kunden und ihre Bedürfnisse oder Kaufmotive richtig zu verstehen und um sehen zu können, wie sich unterschiedliche Werbebotschaften in dessen Gehirn auswirken, reicht die bisherige Marktforschung mit den Sichtweisen der Psychologie bzw. Kognitionswissenschaft nicht mehr aus.

Was ist die wesentliche Erkenntnis von Neuro-Marketing?

Es gibt zahlreiche Erkenntnisse über menschliches Verhalten, die mittels bildgebender Verfahren verständlicher werden. Für Marketing wird z.B. deutlicher, dass die Emotionen der Auslöser für unsere Motive sind und nicht wie angenommen, die Kosten-Nutzen- Abwägung.

Außerdem wird ersichtlich, wie vernetzt Emotionen, Motive und Denkprozesse sind. Hinter diesem Emotionssystem steckt eine Reihe von verschiedensten Abläufen im limbischen System, einen funktionalen Bereich im Gehirn, dem nachgesagt wird, Sitz aller Emotionen und Motive zu sein.

Besonders wichtig ist das limbische System für die Abspeicherung von Gedächtnisinhalten, bei emotionalen Bewertungen und Steuerungen von Handlungen sowie bei Lernprozessen. Es werden zahlreiche bewusste und unbewusste Informationen aus der Umwelt aufgegriffen und in Einklang mit den körperlichen Bedürfnissen gebracht.

Neurowissenschaft für das Marketing nutzen

 

 

 

Abbildung 1: Blick auf das Gehirn mit seinen Funktionen (Deutsches Ärzteblatt 2014, Heft 48)

Aus der Praxis…

Würden Sie wildfremde Menschen am Ausgang eines Supermarkts befragen, warum sie gerade die Ritter-Sport-Schokolade oder das Ariel Waschmittel gekauft haben, so hätte jeder Kunde sofort eine Erklärung parat.

Es sieht auf den ersten Blick so aus, als wäre der Einkauf zu 100 % bewusst getätigt worden und der Kunde jederzeit Herr über seine Entscheidungen war. Dem ist in der Realität aber nicht so.

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Nur 5 % der menschlichen Denkprozesse laufen bewusst ab, die restlichen 95 % finden im Unterbewusstsein statt. Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann stellt zwei wesentlich beteiligte Systeme vor: Der automatisierte Autopilot arbeitet implizit. Er verarbeitet alle Informationen aus der Umwelt.

Denn die fünf Sinne (Schmecken, Hören, Fühlen, Sehen, Riechen) versorgen den Menschen pro Sekunde mit 11 Millionen Bits an Informationen. Davon wird ein geringer Anteil, nämlich nur 40 bis 50 Bits bewusst, was 0,0004 % entspricht. Es wird offensichtlich, dass nur ein Bruchteil aller Informationen im Bewusstsein landet- dem Pilot.

 

Als kleine Übung…

Denken Sie an Ihre letzten drei Anschaffungen. Was meinen Sie, welcher Logik sind sie gefolgt?

 

Fazit:

Vergessen Sie die Annahme, Kunden würden nach einer einfachen Kosten-Nutzen- Optimierung, Kaufentscheidungen treffen. Neuro-Marketing zeigt auf, wie Werbung neurophysiologisch funktioniert.

Der Verstand lässt es so erscheinen, als hätte die Person die meisten Entscheidungen bewusst getroffen. Dass dem aber nicht so ist, da alle Entscheidungen im Gehirn schon längst gefällt waren, bis sie durch das Individuum bewusst wahrgenommen wurden, ist nun klar.

Wenn Sie Marketing betreiben, dann ist beispielsweise wichtig, darauf zu achten, dass neben dem erwarteten Kundennutzen wie aus dem Fallbeispiel eine fachlich korrekte Kosmetikbehandlung, auch an die Emotionen kommuniziert wird.

Denken Sie sich „Sinne machen Sinn“ und kreieren Ihr Marketing kommunikativ so, dass das Bild, welches im Gehirn bei der Betrachtung der Maßnahme entsteht, positive „will- ich haben-Gefühle“ auslöst.  Unsere Kosmetikern aus der Fallstudie könnte folgende Worte als  „reinkommen- wohlfühlen- sich verzaubern lassen“ eine Fensterwerbung mit passendem Equipment schalten.

 

Autorin:

Daniela Schul ist Gesundheitsökonomin B.A. und schloss gerade den „MBA Leadership and Management“ ab. Im Sommer 2013 gründete sie das InstiNeM, welches die Erkenntnisse der Neurowissenschaften z. B. für Personalführung, Marketing oder Kommunikation mit bereits bewährten Managementtechniken verbindet. www.instinem.de

 

Bildquelle: © canonieri – Fotolia.com

4 Kommentare
  1. Gert Höhne
    Gert Höhne sagte:

    Wenn alle 11 Mio. Bits zur Verfügung stehenden Informationen so groß sind wie ein Fußballfeld, dann nehmen wir davon nur eine Fläche von der Größe einer Streichholzschachtel bewusst wahr.
    Hier entsteht bereits ein erheblicher Saldo zwischen gesendeter und empfangener Botschaft, die der Sender beim Empfänger gar nicht erst loswird!
    Das, was ankommt wird u.a. durch Ängste, Bedürfnisse, Wünsche und Zustand gefiltert. Dann erfolgt die Bewertung des Wahrgenommenen auf Grund von Erfahrungen, Normen, Werte und Vorurteilen. Daraus wird eine eigene, neue Realität kreiert.
    Jeder Bewertung und jeder Handlung geht ein Gefühl voraus und der Mensch reagiert und handelt dementsprechend.
    Die sich daraus entwickelnden Gefühle bewirken einen Handlungsauslöser, der aus den verschiedenen Wahlmöglichkeiten, wie z.B. Freude, Begeisterung und Neugier oder Angst, Ablehnung und Widerstand eine Auswahl trifft.
    Die Art und Weise der Präsentation und der Informationsverarbeitung des potenziellen Kunden haben maßgeblichen Einfluss darauf, ob er diese Informationen wahrnimmt, sich wohlfühlt und bei Bedarf und entsprechendem Budget kauft oder nicht kauft.

  2. Johannes Winterhalter
    Johannes Winterhalter sagte:

    Neuromarketing besagt, unterfüttert mit neuropsychologischen Studien, dass der Mensch mehr im Kopf hat als er bewußt und rational wahr nimmt. Dass fast alle Handlungen unbewusst erfolgen ist aus dem Zusammenhang gerissen. Gemeint sind Routinetätigkeiten, die vom Gehirn per Autopilot erledigt werden und die nicht mehr ins Bewußtsein gehen.
    Neuromarketing ist ein Weg, seinen Kunden ein gutes Gefühl zu geben, sie zu verstehen und ihnen das auch bewußt zu machen. Ein Beispiel waren die Banken – die hatten vor 20 Jahren überwiegend Produkte, die den Festangestellten mit lebenslänglichem Vertrag dort – Bankbeamten – gefallen haben. Für mich waren das abgesehen von Zahlungsverkehrs-Dienstleistungen Produkte des Grauens.

    Dann kam der Neuromarketing-Guru Hans-Georg-Häusel und hat denen erklärt: eure Kunden sind nicht alle wie ihr selbst, und ihr müsst auch Produkte für andere machen. Was dann auch passierte.

    Johannes Winterhalter

  3. Daniela Schul
    Daniela Schul sagte:

    Ich befasse mich seit Jahren mit den Erkenntnissen der Neurowissenschaften, zumal ich viele Jahre in der Neurochirurgie tätig war und würde alle Aussagen, die hier dazu getroffen wurden, unterstreichen. Ich persönlich finde die Erkenntnisse der Neurowissenschaften bereichernd, egal ob für Leadership oder Marketing, da sie eine, nicht aber die ultimative, Erklärung für menschliches Verhalten in unterschiedlichen Kontexten ermöglichen.

    Klar könnte man in einigen Passagen mehr in die Tiefe gehen oder Zusammenhänge noch detaillierter vorstellen, aber dafür sehe ich einen nicht wissenschaftlichen Blog, weniger als das weniger geeignete Medium an. Vielmehr wollte ich eine erste inhaltliche Auseinandersetzung, mit vielleicht bislang unbekannten Themen, erreichen… 🙂

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